46. Langstrecke 1000km durch Deutschland 2018

Text: Matthias Hackl / Fotos: Lutz Demuth

Eine Motorradtour über 1000 Kilometer ist für typische Motorradfahrer eher eine überdurchschnittliche Aufgabe. Diese dann an einem Tag, also am Stück zu fahren, vergrößert die Herausforderung jedoch so, dass viele Fahrer auf ein derartiges "Vergnügen" dankend verzichten. Aber es gibt auch Motorradfahrer, die auf dieses Vergnügen hinfiebern und jedes Jahr neu und mit Begeisterung bei der 1000km durch Deutschland an den Start gehen; dieses Jahr 74 Starter, davon zehn Fahrer, die zum ersten Mal eine Langstrecke unter die Räder nehmen.

Die Herausforderung eine Langstrecke zu fahren lässt sich noch steigern, indem man als Mittfünfziger die kommode BMW-Reiseenduro in der Garage stehen lässt und zu den Anfängen der Zweiradfahrerkarriere zurückkehrt. Zwar fühlt man sich nicht mehr wie 16, aber es fühlt sich wie mit 16 an, via Kickstarter die 80ccm eines Leichtkraftrads zum Leben zu erwecken. Mit etwa zehn PS, maximale Geschwindigkeit ca. 85km/h in der Ebene, bergab auch kurzzeitig über 100km/h wirken die 1000km jedoch ein gutes Stück länger, als mit einem größeren Motorrad. Schon viele Fahrer haben die Langstrecke mit einem Moped geschafft und immerhin bei vier der bisher vom MC Freital veranstalteten Langstrecken wurde auf einem Moped den Gesamtsieg eingefahren! Warum also nicht die Startnummer 212 gegen die Startnummer 11 tauschen, den Vorteil von etwa 25 Minuten früherer Startzeit und 1,5 h mehr Fahrtzeit mitnehmen und schauen was dabei rauskommt!

Der Treffpunkt zur 46. 1000km durch Deutschland war wie 2015 die Jugendherberge Hormersdorf im Erzgebirge. Durch die gut organisierte Fahrzeug- und Papierabnahme sowie Zuweisung der Zimmer war der formelle Teil rasch bearbeitet. Kurze Verfeinerung der schon in der Vorwoche erarbeiteten Strecke mit den exakten Koordinaten der Kontrollstellen aus den Fahrtunterlagen schloss die Fahrtvorbereitung ab und nach Abgabe der Mannschaftsnennung folgte der "gemütliche" Teil des Langstreckenvorabends. Jedes Jahr ist es erneut schön, die aus vielen Jahren Langstrecke bekannten Fahrer wieder zu treffen, Benzin zu reden und sich zusammen auf eine neue Auflage der 1000km Langstreckenfahrt zu freuen.

Am Samstag startet die Langstrecke mit der Fahrerbesprechung um 8:40 am Freizeitbad Greifensteine. Ein bisschen Kribbeln und Anspannung ist auch nach vielen Langstreckenstarts immer noch dabei. Bei gutem Wetter und besten Aussichten auf eine von oben trockene Langstrecke startet der erste Fahrer um 9:00 mit einem rund zu fahrenden Slalom mit Zielbremsung auf dem Parkplatz des Freizeitbades bei Geyer. Von hier führt der erste Teil der Langstrecke nun über das Erzgebirge grob Richtung Ost-Nordost. Anhand einer Ziffer, die beim Start bekannt gegeben wird, sind die Geokoordinaten der nächsten Kontrollstelle zu berechnen. Dort angekommen, ergeben sich aus der zu lösenden Fragestellung weitere Zahlen, die zur Ermittlung des folgenden Zieles erforderlich sind. Feinheiten der Fragestellung sind penibel zu beachten, es empfiehlt sich, die Aufgaben sehr genau zu lesen! Die Antworten zur Aufgabenstellung sind selbständig in die Fahrerkarte einzutragen, falsche Einträge sorgen ansonsten für die ersten Fehlerpunkte. So hangeln wir uns bei strahlendem Sonnenschein vier Kontrollstellen weit über Rübenau, Cämmerswalde und Müglitz bis nach Kleingießhübel im linkselbischen Teil der Sächsischen Schweiz.

Das nächste Ziel heißt Neustadt/Sachsen. Der Verladeplatz eines Logistikunternehmens im Süden von Neustadt dient heute als Austragungsort einer WP. Ein teilweise enger Slalom mit einer Acht am Ende sowie einer Bremspüfung fordert die Fahrer. Zügig geht es weiter in Richtung Görlitz.

Schon bei der Anfahrt aus Westen hat man zunächst einen wunderschönen Blick auf die Landeskrone. Im weiteren Verlauf der Fahrt nach Jauernick-Buschbach liegt der Berzdorfer See vor uns, das Riesengebirge im Hintergrund in leichten sommerlichen Dunst gehüllt. Die WPs des MC Görlitz sind schon seit vielen Jahren ein Garant für Motorsport vom Feinsten und so werden die Fahrer auch diesmal nicht enttäuscht. Innerhalb etwa einem Kilometer Strecke am Ortsrand von Jauernick-Buschbach haben die Görlitzer die Straße mit gefühlt 100 Kegeln in einen Slalom verwandelt, der Maßstäbe setzt. Zwischen den drei Kegelgruppen, die teilweise mit unterschiedlichen Abständen und auch in einer langen Rechtskurve aufgebaut sind, gibt es jeweils eine Schikane. Für eine 80er sind die Schikanen aber kein Thema, sie gehen mit Vollgas! WP-Macher Hans meint dazu nur: "Die sind ja auch nicht für Dich gemacht!"

Von Jauernick-Buschbach auf etwa 300m Höhenmetern geht es nun immer Richtung Nordwest und kontinuierlich abwärts ins flache Land. Das nächste Ziel heißt Welzow. Zwischen der Ortslage und dem Tagebau Welzow-Süd warten die dortigen Sportfreunde mit dem altbekannten Spurbrett auf die Langstreckenfahrer. Ein 10er, d.h. das Spurbrett auf voller Länge von 10 Metern zu befahren ist ein "Muss", wenn man ein gutes Ergebnis in der Wertung erreichen will. Nicht immer gelingt das wie gewünscht, aber diesmal passt alles.

Auf dem Verkehrsübungsplatz in Herzberg steht die nächste WP an: Ein flüssig zu fahrender Slalom mit Spitzkehre wahlweise Rechts- oder Linksrum und einer Bremsprüfung am Ziel. Die vielen verschiedenen Slalomprüfungen sind bei der 1000km schon immer das "Salz in der Suppe". Jede WP ist unterschiedlich, es gibt keine Möglichkeit zu trainieren. Zwar besteht oft die Möglichkeit die WP anzugucken, anderen Fahrern beim Fahren zuzuschauen oder die WP auch abzulaufen, aber trotzdem gibt es nur einen Schuß: Hopp oder Top!

Die letzte Etappe vor der Zwangspause in Barby führt über Lutherstadt Wittenberg, Dessau und Calbe. Die Strecke über Roßlau und die Fähre Barby wäre zwar kürzer, die Fähre hat aber schon seit 19:00 Uhr geschlossen und außerdem gilt es nun mit etwa 170km Tankreichweite das schon in der Vorwoche ausgearbeitete "Tankmanagement" strikt abzuarbeiten. So ist Volltanken in Calbe der erste Teil zur erfolgreichen Umsetzung von "Immer einen Daumenbreit Benzin im Tank." In Barby wartet eine Schätzaufgabe auf die 1000km-Fahrer. Aus etwa zehn Meter Entfernung ist die Fahrzeugbreite vorzugeben, die durch entsprechend positionierte senkrechte Holzlatten visualisiert wird und das Schätzergebnis für die anschließende Prüfung festhält. Manche Fahrer waren etwas zu optimistisch und passen nicht durch die Holzlatten, was mit doppelten Strafpunkten bewertet wird. Einzelne Fahrer haben hier jedoch exakt die richtige Fahrzeugbreite geschätzt. Alle Achtung!

In der Zwangspause ist Zeit für ein wenig Fahrzeugpflege, die sich bei der Yamaha DT80 auf Kette schmieren und Öl nachfüllen beschränkt. Das schon am Vortag gewählte Essen im Gasthof "Zum Rautenkranz" wird superschnell serviert und schmeckt hervorragend. Auch für einen Kaffee vor dem Start zur Nachtetappe bleibt noch ausreichend Zeit. Die Nachtetappe beginnt noch bei einsetzender Dämmerung, kurz nach Gommern bricht die Dunkelheit herein.

Die beiden nächsten Kontrollstellen in Wiesenburg-Bahnhof und Treuenbrietzen sind Durchfahrtskontrollen, bei denen Fragen aus dem Programmheft zu beantworten sind. Die Mopeds lassen diese beiden DK aus und fahren direkt zur nächsten Kontrollstelle nach Saarmund. In Saarmund ist Orientierungssinn ohne Sicht gefragt. In einer Entfernung von etwa 15 Metern ist ein erster Holzklotz am Boden abgelegt. Aufgabe ist es nun, mit einer schwarzen Kapuze über dem Kopf die Strecke möglichst geradeaus zu laufen und einen zweiten Holzklotz auf den am Boden liegenden ersten abzulegen. Die seitliche Abweichung ergibt die Fehlerpunkte. Einem Fahrer gelingt das Kunststück exakt zu treffen und die beiden Holzklötze aufeinander zu legen!

Im Gegensatz zu den bisherigen Slalom-Prüfungen gilt es in Groß-Kienitz einen Slalom in Sollzeit zu absolvieren. Uhren am Fahrzeug sind nicht erlaubt und für zu schnelle Fahrt gibt es fünffache, für zu langsame Fahrt nur einfache Strafpunkte. Die Besonderheit der WP ist ein Bonus-Dart-Werfen auf dem Motorrad sitzend auf der Ziellinie des Slaloms. Mit guten Treffern auf der Dartscheibe können Strafpunkte aus der Slalomfahrt kompensiert werden, was in einzelnen Fällen auch erfolgreich gelingt.

Die folgende Etappe schließt nun den nordwestlichen Kreis der 46. Langstrecke indem Herzberg erneut anzufahren ist. Der Fahrtschnitt sinkt, da einerseits die Beleuchtung an der DT80 unterirdisch schlecht, zum andererseits außer den Langstreckenfahrern auch viel Wild unterwegs ist. Eigentlich hätte man in Herzberg den Slalom von der nachmittäglichen WP in Gegenrichtung befahren können, aber was wäre eine 1000km-Fahrt ohne "besondere" Prüfungen, die ganz andere als motorsportliche Fähigkeiten verlangen. Nach der Blind-Orientierung unter der Henkerkappe von Saarmund sind nun Auge, Nase und Mund gefragt. Color-Odor-Sapor, zu deutsch Farbe-Geruch-Geschmack, das Testprinzip bei Weinverkostungen hilft auch in Herzberg mehr oder weniger erfolgreich fünf verschiedene Frucht- bzw. Gemüsesäfte zu bestimmen. Die Kandidaten Rhabarber, Karotte, Holunder, Rote Beete und Quitte machen es den Fahrern nicht leicht und so mancher fährt oder besser schmeckt bei dieser Prüfung sein Streichresultat ein.

Mit dem MC Wurzen als Veranstalter der nächsten WP in Lüptitz steht wieder Motorsport vorne. Die Sportfreunde haben einen trickreichen Slalom mit versetzten Kegeln auf der Zufahrt zu einer Wendeplatte gestellt. Das Ablaufen der Wertungsprüfung stellt sich im Nachgang als sehr vorteilhaft heraus, damit alle Kegel und im Besonderen ein Kegel ausgangs der Runde in der Wendeschleife fehlerfrei umfahren werden.

Weiter geht es Richtung Südost zur letzten Kontrollstelle zum Ziel. Auf einem asphaltierten Wirtschaftsweg bei Kaiserburg in der Nähe von Waldheim ist eine Rollprüfung angesagt. Der technisch interessierte Laie weiß, hohe Anfangsgeschwindigkeit bringt einen Zeitvorteil bei dieser Prüfung, also gilt es, das Fahrzeug am Start so schnell wie möglich anzuschieben, aufzuspringen und dann in geduckter Haltung möglichst ungebremst und so gerade wie möglich die in den Rollweg integrierten Schikanen zu nehmen. Unnötiges Gepäck wie Tankrucksack und Ersatzteiltasche stören beim Start nur, also runter damit. Die WP-Strecke ist an diesem Morgen für die 1000km Fahrer in "Rennrichtung" eine "Einbahnstraße", daher muss auf einer kleinen Extraschleife über Ziegra zum Start zurückgefahren werden, um das Gepäck wieder zu holen. Was soll's, Zeit ist genug, es reicht auch noch für einen wärmenden Kaffee. Es fängt zwar schon wieder hell zu werden, aber trotz des schon beginnenden Tages ist es kühl geworden.

Die letzten knapp 70 Kilometer der 46. Langstrecke zurück in Ziel nach Geyer zum Parkplatz am Freizeitbad Greifensteine liegen nun vor den Fahrern. Ein kurzes Stück Autobahn von Hainichen bis Ausfahrt Chemnitz-Ost, dann durchs verschlafene morgendliche Chemnitz und wieder aufwärts ins Erzgebirge führen in überwiegend südlicher Richtung ins Ziel. Dort angekommen ist der am Samstagmorgen schon absolvierte Slalom erneut, aber diesmal in Gegenrichtung zu befahren. Aber halt: das wäre zu einfach. Kleine Änderungen im Layout machen auch diesen letzten Slalom zu einer neuen und der letzten Herausforderung dieser Langstrecke.

Zurück in der Jugendherberge Hormersdorf, wartet nach Abgabe der Fahrerkarte Bewirtung mit warmer Suppe, belegten Brötchen und natürlich das schon legendäre Zielbier. Jedes Jahr wieder neu ein Highlight der 1000km. Fahrer und Motorrad gesund und unbeschädigt im Ziel angekommen, die Fahrzeit auch mit dem Leichtkraftrad locker eingehalten, hervorragendes Wetter während der ganzen Fahrt, das Gefühl eine alles andere als alltägliche Motorradtour erfolgreich gemeistert zu haben … einfach nur stark! Diese tolle Stimmung kann auch die nur kurze "Nachtruhe" am Sonntagvormittag nicht trüben.

Währenddessen wurde von der Auswertung fleißig gerechnet und schon vor dem Mittagessen hängen die Ergebnisse aus. Die 46. 1000km Langstrecke findet ihren würdigen Ausklang mit Ehrung der Sieger und Platzierten. Bei den Gespannen haben das Team Heinrich Wack/Thomas Apel auf HWO-BMW die Nase vorn, die Klasse bis 37kW gewinnt Marcel Keiner auf Simson S70, in der großen Klasse sowie in der Gesamtwertung siegt Falk Preusche auf BMW F700 GS.

Aus Fahrersicht bleibt nun noch ein Danke zu sagen an die Organisation der Langstrecke, dem MC Freital, seinen Freunden und Helfern sowie den vielen Sportfreunden an der Strecke, die genauso wie die Fahrer Tag und Nacht unterwegs waren! Danke auch für Verpflegung und Unterkunft seitens der Jugendherberge.

Neben diesem verbalen Danke gibt es eine weitere gute Möglichkeit den Dank zum Ausdruck zu bringen; nämlich im Mai oder Juni 2019 ein Blatt Papier auszufüllen, das die Überschrift "Nennung zur 47. ADMV-Langstreckenfahrt 1000km durch Deutschland" trägt und damit aktiv an einem weiteren Kapitel der Geschichte "Immer wieder 1000km" beizutragen!


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